Vegetationsperiode
Verwendung von Temperaturschwellenwerten Verwendung von Teil- und Kernperioden Kombinierte Kriterienansätze Modellierung von FrühjahrsphasenGenerell definieren die Begriffe Vegetationsperiode, Vegetationszeit oder Wachstumszeit den Zeitabschnitt des Jahres, in dem die Pflanzen photosynthetisch aktiv sind. Eine einheitliche Definition der Vegetationsperiode auf Basis meteorologischer Parameter ist aufgrund der verschiedenen Klimaräume und der unterschiedlichen Sensibilität von Kulturarten kaum möglich.
Das Pflanzenwachstum wird durch eine Reihe von Umweltbedingungen und physiologischen Prozessen beeinflusst. In der gemäßigten Zone ist vor allem die Temperatur und Tageslänge geeignet, um die Entwicklungsphasen des Pflanzenwachstums hinreichend zu beschreiben (MENZEL 2002). Aber auch Trockenheit, Bodentemperatur oder Schneebedeckung können die Vegetationsperiode begrenzen. Zusätzlich spielen Frosttage bzw. die artenspezifische Kälteresistenz eine bedeutende Rolle (CARTER 1998, FRICH et al. 2002, MENZEL et al. 2003, WALTHER & LINDERHOLM 2006). Nach der Columbia Encyclopedia reicht die Vegetationsperiode oder auch frostfreie Periode vom letzten starken Spätfrost (killing frost) bis zum ersten starken Frühfrost im Herbst.
In Mitteleuropa dauert die Vegetationszeit von April bis Anfang Oktober (ca. 250 Tage), mit der Hauptvegetationsperiode von Mai bis Juli. Mit zunehmender Geländehöhe verkürzt sich die Vegetationsperiode. Im Bereich der Waldgrenze beträgt sie ca. 180 Tage (http://bfw.ac.at).
Aus phänologischer Sicht dauert die Vegetationszeit bei ein- und zweijährigen Pflanzen von der Keimung bis zum Absterben, bei Sträuchern und Bäumen vom Austreiben bis zum Blattfall und bei immergrünen Pflanzen von Beginn bis Stillstand des aktiven Wachstums. In den Tropen besteht keine jahreszeitliche Einschränkung der Vegetationszeit, hier beeinflusst vielmehr der Wechsel zwischen Regen- und Trockenperioden das Vegetationswachstum.
Verwendung von Temperaturschwellenwerten
Als Beginn der Wachstumszeit wird im Allgemeinen der Abschnitt des Jahres definiert, in dem das Tagesmittel der Lufttemperatur an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen eine Mindesttemperatur überschreitet (vgl. Tabelle). Die weite Verbreitung des 5°C - 5 Tages-Kriteriums sowie der leicht abgewandelten Varianten liegt vor allem an der relativ leichten Verfügbarkeit langer Zeitreihen von Temperaturbeobachtungen und der einfachen und zeiteffizienten Verarbeitung.
Das Ende der Vegetationsperiode ist schwieriger zu erfassen, da bis zum Herbst die Genauigkeit der phänologischen Stadien stetig abnimmt, was deren Analyse erschwert (SPARKS & MENZEL 2002). Da viele Vorgänge zeitverzögert ablaufen, ist der Einsatz von Temperaturschwellenwerten deutlich limitiert. Zudem können massive Frostereignisse frühzeitig zur Stagnation des Wachstums führen und damit den Beginn der Ruhephase markieren. Allerdings ist es problematisch für Bereiche mit großer Artenvielfalt, die Temperatur für einen „killing frost“ anzusetzen (BRINKMANN 1979). Als einfacher Ansatz wird das Ende der Vegetationsperiode als der Abschnitt des Jahres definiert, in dem das Tagesmittel der Lufttemperatur an fünf aufeinanderfolgenden Tagen die Tagesmitteltemperatur von 5 °C unterschreitet. Allerdings benötigen die meisten Nutzpflanzen, zonalen Laubwälder sowie Steppen- und Halbwüstenpflanzen jedoch mindestens eine Temperatur von 10°C. Prinzipiell ist aber die Temperatur von größerem Interesse, bei der die Pflanzen mit dem Keimen beginnen. Diese ist kulturabhängig, wie folgende gemittelten Werte zeigen: Weizen 5°C, Mais 10°C, Reis 20°C (http://www.britannica.com/).
Tab. 39: Übersicht der Randbedingungen für Vegetationsperioden
Neben den 5°C - 5 Tages-Ansätzen finden sich in der Literatur auch komplexere Vorgehensweisen, die nachfolgend beispielhaft beschrieben werden:
Verwendung von Teil- und Kernperioden
Eine komplexere Vorgehensweise unterteilt die Temperatursituation während der Wachstumszeit in Teil- und Kernperioden (WAKONIGG et al. 2007). Der Beginn der Vegetationsperiode wird dann festgesetzt, wenn eine warme Teilperiode mehr Tage besitzt, als die Summe der Tage aller kalten Teilperioden vor der Kernperiode. Bei der Bestimmung des Endes der Vegetationsperiode werden die erforderlichen Kriterien umgekehrt. Für die räumliche Modellierung der Vegetationsperioden für Österreich wurde eine Kern-Vegetationsperiode betrachtet, in der sich die Temperatur ständig über 5°C befindet. Zusätzlich wurden die jeweiligen Teilperioden bis Anfang März und Ende November berücksichtigt, wo sich „warme“ Teilperioden (über 5°C) und „kalte“ (unter 5°C) abwechseln (LFZ RAUMBERG-GUMPENSTEIN 2011).
Die Stärke des Verfahrens liegt in der genaueren räumlichen Beschreibung des Vegetationsbeginns insbesondere in Berggebieten (LFZ RAUMBERG-GUMPENSTEIN 2011).
Kombinierte Kriterienansätze
Um möglichst viele Ausnahmesituationen berücksichtigen zu können, sind kombinierte Kri-terienansätze sinnvoll. Hierbei werden häufig Tagesmittel mit Tagesmindesttemperaturen kombiniert (MENZEL et al. 2003). Nachfolgend werden einige Ansätze beschrieben, die auf kombinierten Lösungsansätzen basieren:
Methode des Lehr- und Forschungszentrums Raumberg-Gumpenstein
Zur Bestimmung des Vegetationsbeginns wird ein Zeitraum von sechs Tagen betrachtet. Als Kriterium muss die Durchschnittstemperatur innerhalb dieses Zeitraumes über 5°C betragen, wobei an mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen die Tagesmitteltemperatur 5 °C übersteigen muss. Zusätzlich darf innerhalb dieser Periode kein Frostereignis stattfinden, d. h. die Tagesmitteltemperatur darf 2°C nicht unterschreiten (LFZ RAUMBERG-GUMPENSTEIN 2011).
Für die Ermittlung des Endes der Vegetationsperiode wird in Anlehnung an CARTER (1998) ein Zeitraum von 10 Tagen untersucht. Dazu werden folgende Kriterien verwendet: Innerhalb des Zeitraums muss die Durchschnittstemperatur unter 5°C liegen, davon mindestens 4 Tage unter 5°C und es muss ein massives Frostereignis mit einer Tagesmindesttemperatur von unter -2°C auftreten.
Die Ergebnisse des Kombinierten Kriterien-Ansatzes liegen, abgesehen von kleinen Abweichungen, etwa in der Mitte zwischen der einfachen 5°C -5 Tages-Methode, die häufig einen zu frühen Beginn liefert und dem Teil-Kern-Perioden-Ansatz, der einen zu späten Zeitpunkt berechnet. Sie stellen damit einen guten Kompromiss dar, bei dem auch die Topographie eine ausführliche Berücksichtigung findet (LFZ RAUMBERG-GUMPENSTEIN 2011).
Methode nach VON WILPERT
Bei seinen Arbeiten in Südwestdeutschland charakterisierte VON WILPERT (1990) die Wachstumsperiode der Holzteile (Xylem) von Fichtenbeständen. Dazu verwendete er Witterungsdaten, Messungen der Bodenfeuchte, die zeitliche Entwicklung des Baumdurchmessers und der Holzteile. Darüber hinaus ist die Lufttemperatur das Hauptkriterium. Um kurzfristige Temperaturschwankungen außerhalb der Vegetationsperiode zu berücksichtigen, wurde von ihm eine gleitende Mitteltemperatur von sieben Tagen gewählt.
Für den Beginn der Vegetationsperiode werden drei Bedingungen formuliert:
d1 = Tag an dem das gleitende 7-Tagesmittel der Lufttemperatur zum ersten Mal 10°C überschreitet.
d2 = Tag an dem das gleitende 7-Tagesmittel der Lufttemperatur zum ersten Mal für mindestens 5 Tage 10°C überschreitet.
d3 = Beginnender Austrieb des neuen Nadeljahrgangs (=Maitrieb) aus periodisch wiederkehrenden Entwicklungsstadien der Pflanzen (DWD-Datenbank).
Für das Ende der Vegetationszeit sind ebenfalls drei Bedingungen formuliert:
Temperaturkriterium:
Das Kriterium ist erfüllt, wenn das gleitende 7-Tagesmittel der Lufttemperatur die 10°C unterschreitet. Es ist jedoch reversibel, d. h. wenn die Temperatur anschließend wieder höher liegt, kann das Xylemwachstum fortgesetzt werden. Ausnahme: eines der beiden anderen Kriterien zur Beendigung der Vegetationszeit ist bereits erfüllt.
Trockenheitskriterium:
Wenn der Mittelwert der Bodenmatrixpotentiale in 15 cm, 30 cm und 60 cm Tiefe den Wert 1100 hPA für mindestens 5 Tage unterschreitet, geht man davon aus, dass das Wachstum der Jahresringe trockenheitsbedingt eingestellt wird. Dieses reversible Kriterium wird erst nach dem 15. Juli (= Tag 196) zugelassen, da ein trockenheitsbedingtes Beenden des Wachstums erst gegen Ende der Vegetationszeit wahrscheinlich ist (KRAMER & KOZLOWSKI 1979).
Kurztagskriterium:
Dieses Kriterium bezieht sich auf den Tag, an dem das Xylemwachstum bei optimalen Bedingungen aufgrund der Tageslänge eingestellt wird. VON WILPERT (1990) verwendete dazu den 5. Oktober (= Tag 279). Für Übertragungen auf Standorte außerhalb Südwestdeutschlands müssen möglicherweise Anpassungen vorgenommen werden.
Da häufig das Bodenmatrixpotential nicht zur Verfügung steht, wird das Ende der Vegetationsperiode häufig nur nach dem Temperatur- und Kurztagkriterium berechnet.
Methode nach MORÉN & PERTTU
Die Definition nach MORÉN & PERTTU (1994) ist ein einfaches Verfahren und wurde in Schweden entwickelt. Es berücksichtigt ausschließlich die Über- und Unterschreitung bestimmter Schwellenwerte. Als Grundparameter wird der gleitende 5-Tagesmittelwert herangezogen. Als Grenzwerte (S) dienen die 5°C -, 6°C -, 8°C - und 10°C-Schwelle. Die entsprechende Vegetationszeit beginnt, wenn der Mittelwert der Lufttemperatur zum ersten Mal über dem jeweiligen Schwellenwert liegt. Wenn der gleitende Mittelwert der Lufttemperatur das erste Mal unter dem Schwellenwert liegt, endet die jeweilige Vegetationsperiode.
Methode nach ZIMMERMANN
Die Definition des Beginns der Vegetationszeit von ZIMMERMANN (1995) ist an die Vorgehensweise von VON WILPERT (1990) angelehnt. Es verzichtet allerdings auf den Zeitpunkt, an dem der Austrieb des neuen Nadeljahrgangs startet, um den Beginn der Vegetationsperiode zu ermitteln. Die Methode wurde im Rahmen des ARINUS-Projektes (Auswirkungen von Restabilisierungsmaßnahmen und Immissionen auf den N- und S-Haushalt der Öko- und Hydrosphäre von Schwarzwaldstandorten) entwickelt.
Modellierung von Frühjahrsphasen
In der Literatur finden sich verschiedene Modelle, die zur Nachbildung periodisch wiederkehrender Entwicklungsphasen im Frühling verwendet werden. Nachfolgend werden drei Modellansätze vorgestellt:
Modell von CANNELL & SMITH
Das Modell von CANNELL & SMITH (1983) geht von festen Temperaturschwellen für Kältetage bzw. für den Wärmereiz (jeweils 5°C) aus. Je nach Pflanzenart und Entwicklungsstand enthält das Modell Koeffizienten zur weiteren Berechnung. Ermittelt werden die sogenannten „Kältetage“, d. h. die Tage, die sich unter einer artspezifischen Kälteschwelle befinden, und die „kritische“ Wärmesumme, die notwendig ist, um eine phänologische Phase zu überschreiten.
Modell LNVAR
Das Modell LNVAR (MENZEL 1997) ist eine Erweiterung des Modells von CANNELL & SMITH (1983). Als Grundlage wird die Tagesmitteltemperatur verwendet, die aus den Tagesminimum- und -maximumwerten arithmetisch gemittelt werden. Die weitere Berechnung folgt dem Modellansatz von CANNELL & SMITH (1983).
Modell von KRAMER
Das sequentielle Modell nach KRAMER (1994) basiert auf dem Modellansatz von HÄNNINEN (1990). Grundlage hierbei ist die strikte Trennung der Winterruhe in Phasen der endogenen und exogenen Entwicklungsverzögerung (Dormanz). Während die endogene Dormanz durch fehlende Wuchsstoffe bzw. durch Hemmstoffe pflanzenkontrolliert ist, sind für die exogene Dormanz ausschließlich Umweltfaktoren wie die Wasserverfügbarkeit ausschlaggebend (http://www.wissenschaft-online.de). In den verwendeten Gleichungssystemen wird der Kälte- und Wärmereiz, die Kälte- bzw. Wärmesumme sowie die Tagesmitteltemperatur berücksichtigt. Die kritische Kältesumme spielt hierbei eine wichtige Rolle für die endogene Dormanz, da diese Schwelle erst zu überwinden ist, damit die Pflanze aufgrund physiologischer Bedingungen auf Wärme überhaupt reagiert.
Quellen (Stand: 31.07.2012)
BRINKMANN, W. A .R. (1979): Growing season length as an indicator of climatic variations? Climatic Change, 2 (2), 127-138.
CANNELL, M. G. R. & SMITH, R. L. (1983): Thermal time, chill days and prediction of budburst in Picea sitchensis. – Journal of Applied Ecology, 20. 951-963
CARTER, T. R. (1998): Changes in the thermal growing season in Nordic countries during the past century and prospects for the future. - Agricultural and Food Science in Finland, 7 (2), 161-179.
FORMAYER, H., HAAS, P., HOFSTÄTTER, M., RADANOVICS, S. & KROMP-KOLB, H. (2007): Räumlich und zeitlich hochaufgelöste Temperaturszenarien für Wien und ausgewählte Analysen bezüglich Adaptionsstrategien. – BOKU-Met Bericht, 82 S.
FRANKE, J., SURKE, M. & LANGROCK, M .(2007): Handbuch zur „Klimadatenbank Mitteldeutschland“
FRICH, P., ALEXANDER, L. V., DELLA-MARTA, P., GLEASON, B., HAYLOCK, M., KLEIN TANK, A. M. G. & PETERSON, T. (2002): Observed coherent changes in climatic extremes during the second half of the twentieth century. - Climate Research, 19, 193-212
HÄNNINEN, H. (1990): Modelling bud dormancy release in trees fro cool and temperate regions. – Acta Forestalia Fennica 213, 1-47.
KRAMER, K. (1994): Selecting a model to predict the onset of growth of Fagus sylvatica. - J. Appl. Ecol. 31, 172-181.
KRAMER, P. J. & KOZLOWSKI T. T. (1979): Physiology of woody plants. - New York: Academic Press. 811 p.
LFZ RAUMBERG-GUMPENSTEIN (2011) [Hrsg.]: Räumliche Modellierung der thermischen Vegetationsperiode für Österreich- Abschlussbericht ThermVeg, 53 S.
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MENZEL, A. (2002): Phenology: Its Importance to the Global Change Community. - Climatic Change, 54 (4), 379-385.
MENZEL, A., JAKOBI, G., AHAS, R., SCHEIFINGER, H. & ESTRELLA, N. (2003): Variations of the climatological growing season (1951-2000) in Germany compared with other countries. - International Journal of Climatology, 23 (7), 793-812.
MORÉN, A.-S. & PERTTU, K. (1994): Regional temperature and radiation indices and their adjustment to horizontal and inclined forest land. – Studia Forestalia Suecica 194, 19 pp.
SPARKS, T. H. & MENZEL, A. (2002): Observed changes in seasons: an overview. - International Journal of Climatology, 22 (14), 1715-1725.
WAKONIGG, H., HAWRANEK, V., PODESSER, A. & RIEDER, H. (2007): Klimaatlas Steiermark: Kapitel 2 - Temperatur. - Klimaatlas Steiermark Version 2.0, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Graz, 145 S.
WALTHER A. & LINDERHOLM, H. W. (2006): A comparison of growing season indices for the Greater Baltic Area. - International Journal of Biometeorology, 51 (2), 107-118.
von WILPERT, K. (1990): Die Jahrringstruktur von Fichten in Abhängigkeit vom Bodenwasserhaushalt auf Pseudogley und Parabraunerde. Ein Methodenkonzept zur Erfassung standortsspezifischer Wasserstreßdisposition. – Freiburger Bodenkd. Abh., 24, 184.
ZIMMERMANN, L. (1995): Der Bodenwasserhaushalt an einem Hochlagenstandort im Südschwarzwald. – Freiburger Bodenkundl. Abh. 35, 206 S.
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