Wenige realistische Szenarien bleiben zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C
Daniela Jacob und María Máñez Costa Mitautorinnen einer neuen Studie zum 1,5°C-Ziel
Offizielle Pressemitteilung des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung (PIK), engl.
Im IPCC-Sonderbericht über 1,5°C globale Erwärmung wurden mehr als 400 Klimaszenarien ausgewertet. Wie eine neue Studie jetzt zeigt, sind jedoch von diesen Szenarien nur 50 als 1,5°C-Szenarien klassifiziert worden. Von diesen 50 Szenarien machen nur etwa 20 realistische Annahmen zu den verschiedenen zur Verfügung stehenden Minderungsoptionen, wie zum Beispiel zum möglichen Ausmaß von Aufforstung oder zum Umfang der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre.
Die jetzt erschienene Studie „All options, not silver bullets, needed to limit global warming to 1.5°C: a scenario appraisal“, welche auch auf Diskussionen auf dem jährlich stattfindenden Earth League Workshop beruht (im Jahr 2019 fand dieser am Climate Service Center Germany (GERICS) statt), widmet sich zwei zentralen Fragen:
1. Wie realistisch sind die bekannten Szenarien?
2. Schöpfen die bekannten Szenarien wirklich alle bekannten und realistischen Technologien und Mittel aus, um Emissionen entsprechend zu reduzieren? Oder verlassen sie sich zu sehr auf sogenannte „silver bullet“-Lösungen?
Die Analyse zeigt auf, dass in den 20 Szenarien mit realistischen Annahmen mindestens einer von fünf zur Verfügung stehenden Minderungshebel in einem eher „herausfordernden“ Maße bewegt werden müsse, um das 1,5°C-Ziel einzuhalten. Daher besteht für die Welt ein hohes Risiko, diese Grenze zu überschreiten. Zudem schließt sich das Zeitfenster für Handlungsoptionen zur Einhaltung der Klimaziele aus dem Pariser Abkommen schnell (Beantwortung Frage 1).
Zusätzlich beruhen viele Szenarien zu sehr auf Methoden zur CO2-Sequestrierung, also die geologische Einlagerung von Kohlenstoffdioxid, über das aktuell machbare Maß hinaus („silver bullet“-Lösung). Um jedoch das 1,5°C-Ziel einzuhalten, reicht es nicht aus, die CO2-Emissionen schnell zu senken, vielmehr ist es erforderlich, alle zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung zu setzen. So müsse zum Beispiel auch die Landnutzung zu einer Netto-Kohlenstoffsenke werden, wie etwa durch Wiedervernässung von Mooren oder durch Aufforstung. Aber auch der Ausstoß von Methan aus Lecks bei der Öl- und Gasproduktion oder der Tierhaltung muss stark reduziert werden und nahezu unverzichtbar sei es, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen (Beantwortung Frage 2). „Keines der realistischen Szenarien verlässt sich auf einen einzigen Königsweg“, sagt Leit-Autorin Lila Warszawski vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Weniger als die Hälfte der IPCC-Szenarien, mit denen die Erderwärmung auf nur 1,5°C beschränkt werden kann, sind überhaupt realistisch durchführbar. Dabei sollten möglichst breit alle verfügbaren Technologien und Mittel eingesetzt werden, statt sich auf einzelne sogenannte „silver bullet“-Lösungen zu verlassen. Nur mithilfe einer tiefgehenden und nachhaltigen Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft ausgerichtet an den Nachhaltigkeitszielen der UN können wir die Erderwärmung auf 1,5°C begrenzen.
Die Studie
Lila Warszawski, Elmar Kriegler, Timothy M. Lenton, Owen Gaffney, Daniela Jacob, Daniel Klingenfeld, Ryu Koide, María Máñez Costa, Dirk Messner, Nebojsa Nakicenovic, Hans Joachim Schellnhuber, Peter Schlosser, Kazuhiko Takeuchi, Sander van der Leeuw, Gail Whiteman, Johan Rockström (2021): All options, not silver bullets, needed to limit global warming to 1.5°C: a scenario appraisal. Environmental Research Letters [DOI:10.1088/1748-9326/abfeec]
Link zu Studie Presseartikel zu dieser Publikation der "Washington Post" (engl.)